Etappe: Oggau-Rust-Mörbisch-Fertörakos-Balf-Fertöboz-Hidegseg-Fertöhomok-Hegykö-Sarrod-Fertövjak-Apetlon-Illmitz-Podersdorf am See-Weiden-Neusiedl am See-Jois-Winden-Breitenbrunn-Purbach-Donnerskirchen-Oggau.
Jedes Jahr, Ende Januar, beginnt für mich eine außergewöhnliche Zeit! Es zieht mich ins Burgenland zum Neusiedlersee, und warum? Weil ich noch eine Rechnung mit dem wilden Steppensee offen habe!
Burgenland Extrem – so lautet der Name des größten europäischen Winterevents für Geher, Läufer und Radfahrer. Mich hat von Anfang an fasziniert, dass es eine Veranstaltung gibt, die tausende Menschen zum Gehen motiviert, ohne dabei großartige Siegerehrungen, Pokale oder Preise in den Vordergrund zu stellen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie in Oggau um 04:30 Uhr die 24-Stunden-Wanderung offiziell startet. Im Jahr 2019 nahmen etwa 7000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer daran teil
Mehrere Distanzen stehen zur Auswahl!
Die Herausforderung besteht natürlich darin, den Original Trail zu bewältigen. In 24 Stunden eine Umrundung des Neusiedlersees zu schaffen, bedeutet, an seine Grenzen zu gehen. Oft muss man nicht nur den inneren Schweinehund besiegen, sondern ihn auch wegsperren, in Ketten legen. Diese Hürde war bereits zweimal zu hoch für mich!
Den Memorial Trail mit 80 Kilometern konnte ich 2020 erfolgreich bewältigen. 2019 habe ich auf dem Original Trail knappe 70 Kilometer zurückgelegt, und 2023 sogar 93 Kilometer. Die Gründe für das Aufhören waren unterschiedlich. 2019 waren es wirklich schwierige Wetterbedingungen. Wenn am Neusiedlersee der Wind weht, zieht er einem fast die Wanderschuhe aus. 2023 hielten einfach die Beine nicht durch. Krämpfe und Fußbrennen verhinderten knapp die 100-Kilometer-Marke.
2024 nehme ich also zum dritten Mal diese extreme Herausforderung an, und ich freue mich schon darauf! Ich habe intensiv trainiert, das Schuhmaterial an die überwiegend asphaltierten Strecken angepasst und auch für die Zeitplanung eine gute Variante gewählt.
Was ist das Ziel meiner Teilnahme 2024? Ich möchte meinen persönlichen Rekord von derzeit 93 Kilometern verbessern. Wenn dabei die ganze Runde drin ist, wäre das das Tüpfelchen auf dem „i“.
Am 25. Jänner 2024 startete ich also meinen 4. Versuch, den Neusiedlersee zur Gänze zu umwandern. Um 10:00 Uhr ging es mit der ÖBB von Ried im Innkreis nach Wien Meidling und weiter nach Eisenstadt. Am Bahnhof von Eisenstadt hieß es noch etwas zu warten, dann kam der Shuttlebus und brachte uns nach Rust am See zum Hotel Katamaran. Auf der Fahrt nach Rust lernte ich noch einen Wander-/Läuferkollegen kennen, der ganz in der Nähe von Ried im Innkreis wohnt.
Nachdem ich das Hotelzimmer bezogen hatte, drehte ich noch eine Runde durch den Ort Rust. Ich wollte wissen, ob der Weg auch heuer wieder durch Rust führt, damit ich in der Nacht den richtigen Einstieg wähle. Ansonsten ist in Rust um diese Jahreszeit tote Hose. Selbst das Restaurant vom Hotel hatte geschlossen. Also besorgte ich mir beim hiesigen ADEG Markt etwas zu essen. Mit meinem Kollegen hatte ich vereinbart, dass wir um 17:30 Uhr mit dem Bus nach Oggau fahren, um unsere Startunterlagen abzuholen und an der Eröffnungsveranstaltung teilzunehmen. Wie schon gesagt, es war ja meine 4. Teilnahme an der Burgenland Extrem Tour. Mit 2x Burgenland Extrem Classic und der Klimawanderung war ich schon 7x mit den Kollegen von Burgenland Extrem unterwegs; dh ich kannte schon einige der TeilnehmerInnen.
Es gab nette Gespräche, Kaiserschmarrn und ein Gläschen Rotwein. Um 20:30 Uhr ging es mit dem Bus wieder zurück nach Rust. Ich packte meinen kleinen Rucksack und machte mich fertig zum Weggehen. Wie schon gesagt, mein Plan war ja noch vor Mitternacht von Rust aus die Seeumrundung zu beginnen. Um 22:30 Uhr ging ich los. Es war eine helle Vollmondnacht, kein Wind, angenehme Temperatur, wirklich gute Rahmenbedingungen für eine Nachtwanderung. Es ging zunächst am Bernsteintrail von Rust nach Mörbisch und anschließend hinein nach Ungarn.
Der Weg, der ja größtenteils identisch ist mit dem Neusiedlersee Radweg, führte mich durch großflächige Weinanbaugebiete am Ort Fertörakos vorbei Richtung Balf. In Balf war eine Labestation, aber natürlich noch nicht um diese Uhrzeit. Es war eine tolle Nachtwanderung. Der helle Vollmond tauchte die Landschaft in helles Licht. Die Stirnlampe benötigte ich nur in den kurzen Waldstücken. Der Weg durch die Weinberge wies nur geringe Steigungen auf, war sonst völlig flach und natürlich eis- und schneefrei. Selbst bei Tag ist auf diesem Streckenabschnitt der See nicht zu sehen. Der Weg ist relativ weit weg vom Seeufer, und der Schilfgürtel stellt ein zusätzliches Sichthindernis dar.
Es war ca. 03:00 Uhr, als ich Balf erreichte und eine kurze Kaffeepause einlegte. Ein Geherkollege überholte mich; der war auch früh gestartet. Von Balf waren es noch 10 bis 12 Kilometer nach Hegykö/Heiligenstein, dort startete der Memorial Trail über 80 Kilometer. Es geht durch die Orte Fertöboz, Hidegseg/Kleinandrä und Fertöhomok/Amhagen. Ungarn lieben unüberhörbar Hunde. Jedes Haus wird von einem Vierbeiner bewacht, die ihre Anwesenheit durch lautes Bellen kundtun. Betritt man ein Dorf, fängt der erste Hund zu bellen an, alle anderen Hunde stimmen mit ein. Auch zu dieser frühen Stunde. Der Weg führte mich also durch diese langgezogenen ungarischen Dörfer, größtenteils parallel zur Hauptstraße. Autoverkehr fand noch keiner statt. Erst so gegen 04:30 Uhr setzte der Berufsverkehr allmählich ein.
Um 05:00 Uhr hatte ich Hegykö/Heiligenstein erreicht. Die dortige Labestelle wurde gerade aufgebaut, StarterInnen am Memorial Trail um 07:00 Uhr waren noch keine anwesend. Ich machte im Außenbereich eine kurze Pause; aufgrund der milden Temperaturen war das kein Problem, und setzte dann meinen Weg fort. 2 Stunden auf den Start des Memorial Trails zu warten, hätte keinen Sinn gemacht. Von Hegykö/Heiligenstein ging es wieder in Richtung Österreich nach Apetlon. Dieses Teilstück über rund 23 Kilometer mag ich einfach nicht. Es ist nur „zach“ und wenn Wind dazu kommt, schwierig zu begehen. Gerade Asphaltwege bis zum Horizont und darüber hinaus. Da heißt es Kopf runter, ja nicht nach vorne sehen und einfach gehen. Aber zunächst führte mich der Weg von Hegykö/Heiligenstein auf einem Feld- und Wiesenweg wieder in Richtung Neusiedlersee/Fertö-Hansag Nemzeti Park
Es ging lange auf dem gut begehbaren Feldweg dahin. Über Sarrod, Fertö, Borsodi, Kilato, Fertoujlak erreichte ich die österreichisch-ungarische Grenze. Der Feld- und Wiesenweg ging nun auf Asphalt über. Der restliche Weg von Pamhagen nach Apetlon ist eine Asphaltrallye sondergleichen; diesen Streckenabschnitt mag ich einfach nicht! Diesmal allerdings war es etwas leichter, denn der normalerweise diesen Abschnitt dominierende Wind schlief noch! 2019 wurde ich genau auf dieser Etappe im wahrsten Sinne des Wortes von der Strecke geblasen. Der Weg nach Apetlon war allerdings noch weit. Da hieß es mit der Kapuze das Sichtfeld begrenzen, ja nicht nach vorne schauen und einfach gehen, gehen, gehen. Zum Glück gab es kurz nach der Grenze eine gut sortierte Labestelle. Hier stärkte ich mich noch ordentlich, um genügend Kraft, Geduld und Ausdauer für den weiteren Streckenverlauf zu haben. Ich erreichte natürlich auch Apetlon und damit die nächste Labestelle. Im Gasthaus Weinzettl gab es Würstl, Saft und einen guten Kaffee. Als ich Apetlon verließ, war es 11:00 Uhr; als nächstes Ziel stand Illmitz auf der Agenda. Illmitz war nicht fern, einige Kilometer, entlang der Hauptstraße, diesen Abschnitt bin ich auch am 07er Weitwanderweg schon gegangen. Ich durchquerte Illmitz, besorgte mir in einer Apotheke eine Salbe gegen die beginnenden Muskelprobleme und versorgte im Nationalpark Info-Zentrum meine Füße. Übrigens, die Medikamente wirkten, und ich hatte auf dem restlichen Weg keine Probleme mehr. Der Weg führte nun an der Nationalpark-Bewahrungszone-Illmitz-Hölle vorbei, durch großflächige Weinanbaugebiete, es hieß willkommen in der Hölle.
Unter „der Hölle“ ist ein etwa 12 Kilometer langer Abschnitt zwischen Illmitz und Podersdorf zu verstehen, der sich durch lange, gerade Streckenführung und extreme Windanfälligkeit auszeichnet. Also hieß es wieder, sehr geduldig und demütig durch die Bewahrungszone Illmitz-Hölle zu gehen. Kapuze runter, kein Blick nach vorne, einfach nur gehen. Ich passierte den Unteren- und Oberen Stinkersee, es ging lange entlang des Seeufers, bis ich schließlich den Ortsbeginn von Podersdorf erreichte. Die Hölle lag nun hinter mir, war nicht so schlimm diesmal, da der Wind noch Pause hatte. In Podersdorf gab es wieder eine Verpflegungsstation; ich sah sie zwar, ignorierte sie jedoch. Der Weg durch Podersdorf fühlte sich fast unendlich an! Nach Weiden am See ging es in derselben Art weiter – ein langer, gerader Weg, größtenteils auf Asphalt, brachte mich entlang des Seeufers in die Ortschaft Weiden. Jetzt war es nicht mehr weit nach Neusiedl am See. Es war bereits nach 17:00 Uhr, leichter Regen setzte ein, und es wurde wieder dunkel. Auch der Wind erwachte erneut. Es braute sich also bestes Burgenland-Extrem-Wetter zusammen. Ich hielt mich in Weiden am See nicht auf, sondern ging die paar Kilometer weiter nach Neusiedl am See. Ich wusste, dass sich im dortigen Schulzentrum eine wirklich gut sortierte Verpflegungsstation befand, die ich unbedingt aufsuchen wollte, bevor ich das Finale nach Oggau in Angriff nahm. Mein Gefühl sagte mir, dass es nach Oggau nicht mehr weit sei. Jois, Winden, Breitenbrunn, Purbach waren ja zum Greifen nahe, sagte mein Kopf! Tatsächlich waren es noch fast 30 Kilometer! Aber mir war ganz klar, in Neusiedl höre ich nicht mehr auf!
Wie gesagt, es war wieder dunkel, es regnete, der Wind frischte auf, ich hatte Probleme, das Pannoneum in Neusiedl zu finden. Da war ich allerdings nicht alleine, aber gemeinsam mit einigen anderen Wanderern erreichte ich die Verpflegungsstation. Gestärkt mit Suppe, Riegeln und Kaffee ging es dann wieder raus in die zwischenzeitlich sehr unfreundlich gewordene Nacht. Aber wie gesagt, mein Gefühl sagte mir ja, dass es nicht mehr weit nach Oggau war. Auch die relativ kurzen Abstände zwischen den Orten verstärkten diesen Eindruck. Also stimmte es doch! Alles reine Kopfsache! Ich war auch wirklich froh, dass ich meine Regenkleidung frisch imprägniert hatte; die hielt mich gut trocken. Der Regen hatte eine beachtliche Intensität erreicht, daher gab es auf dem Weg nach Oggau keine weiteren Fotos mehr. Getragen von dem Gedanken, möglichst schnell nach Oggau zu kommen, ging es an Jois, Winden, Breitenbrunn, Purbach vorbei. In Purbach, genauer gesagt im Gut Purbach, hätte es noch eine gute Verpflegungsstation gegeben; die habe ich aber irgendwie gar nicht mehr wahrgenommen. Am letzten Abschnitt von Donnerskirchen nach Oggau wäre es verlockend bzw. kürzer gewesen, auf der Hauptstraße zu gehen. Aufgrund der Witterungsbedingungen und des Verkehrs wäre dies jedoch wirklich gefährlich gewesen. Also ging es nochmals links weg durch das Gebiet der Oggauer Heide. Dann war es soweit: Nach knapp 27 Stunden erreichte ich wieder Oggau und hatte damit den Original-Trail fertig gewandert. Das Foto auf der Finisher-Couch musste sein. Erst jetzt spürte ich die Müdigkeit wieder. Aber größtenteils war ich mit dem Zustand meiner Beine und des restlichen Körpers zufrieden. Der große Muskelkater sollte erst am nächsten Tag kommen.