Vorweg halte ich fest! JA – sie haben recht! Alle KollegenInnen die vor mir den E 10/Rupertiweg gewandert sind und diesen Abschnitt, den Reißecker Höhenweg als Herzstück des E 10/Rupertiweges bezeichnet haben. Ich gehöre nun dazu!
Jetzt zurück zum Tag. 05:20Uhr war Tagwache, dann ein Thermofrühstück und um 06:15Uhr ging es los. Vom Wetter her konnte es keinen schöneren Tag als heute geben! Es war noch dunkel als ich den Anstieg zum Seeschartl in Angriff nahm. Steile 400 Höhenmeter warteten auf mich. Von 2275 Höhenmeter ging es auf 2685 Höhenmeter. Blockgestein, viele steile Kehren und Kurven, so ging es stetig aufwärts. Der Wegweiser beim Arthur-von-Schmid-Haus wies eine Stunde Gehzeit aus. Diese Zeitvorgabe konnte ich nicht halten. Grundsätzlich hatte ich für die heutige Wanderung ca. 12 Stunden geplant. Wenn das Wetter so schön ist, gibt es keinen Grund zur Eile.
Nach ca. 01:45 Stunden war das Seeschartl erreicht. Die Wegbeschaffenheit läßt sich leicht zusammenfassen, Blockgestein, lange Hangquerungen, rutschige steile An- und Abstiege. Und eine Überraschung der negativen Art erwartete mich. Aber zu der komme ich etwas später. Nach dem Seeschartl ging es in Richtung Kaponig Biwak. Der Weg dorthin war eingebettet in eine imposante Bergkulisse. Jede Menge Berge an der 3000m Marke. Nach weiteren 2 Stunden Blockgestein erreichte ich das Kaponig Biwak, mache eine kurze Pause und setzte meinen Weg vorbei am Unteren und Oberen Pfaffenbergersee fort.
Als nächstes galt es das Kaponig Törl auf 2690m Seehöhe zu erreichen. Im Anstieg zum Kaponig Törl verlor ich allerdings die Wegmarkierungen. Zu meiner Entschuldigung sei angemerkt, dass die Markierungen dringend einer Auffrischung bedürfen. Ich hielt mich zunächst links, spähte nach Markierungen, Steinmanderl oder sonstigen Hinweisen, konnte aber leider lange Zeit nichts sehen. Gemein war auch, dass oben am Grat zwei Übergänge auszumachen waren. Nach längerem Umherirren, wurde ich auf der rechten Seiten fündig. Diese Markierungen brachten mich schließlich auf das Kaponig Törl in 2560m Seehöhe. Also merken: der Anstieg zum Kaponig Törl findet sich auf der rechte Karseite.
Anschließend ging es wieder an eine Hangquerung, nämlich die Flanke der 2930m hohen Tristenspitze, steiles Gelände, alles voller Schutt und Blockgestein. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen um auf die bereits angesprochene Überraschung näher einzugehen. Ich wußte ja bereits vom Hüttenwirt des Arthur-von-Schmid-Hauses, dass eine Steinlawine nach dem Kaponig Törl den Weg auf einer Länge von ca. 100m verschüttet hatte. Allerdings wurde mir auch gesagt, dass diese Stelle passierbar sein. Nun war ich genau an dieser Stelle. Alles war voll mit losem Schutt, es ging mächtig steil nach untern, da einzusteigen erschien mir ziemlich gefährlich und zu riskant. Wie es der Zufall wollte, traf auf der anderen Seite, kommend von der Reisseck Hütte, eine Wanderin ein. Ich teilte ihr meine Bedenken hinsichtlich einer Querung dieser gefährlichen Stelle mit. Auch warf ich einen Felsbrocken in den Schuttkegel und sofort setzte sich eine Steinlawine in Bewegung
Das beeindruckte die Frau aber nicht! Sie stieg einige Schritte in den Geröllschutt ein um festzustellen, dass es keinen sicheren Halt gab. Der Weg zurück war auch nicht einfach. Ich denke Sie hat wirklich viel Glück gehabt. Während der ganzen Situation schlug mir das Herz bis zum Hals. Es war Adrenalin pur! Ich hatte große Angst hilflos zusehen zu müssen, wie jemand abstürzt. Aber zum Glück ging ja alles gut.
In weiterer Folge besprachen wir was nun zu tun sei. Wir einigten uns darauf, am Rand der Steinlawine abzusteigen, unten ein Schneefeld zu queren und dann wieder auf den Weg zurück zu kehren. Die Frau tat dies auch so. Als ich mich umdrehte stellte ich fest, dass der Weg zurück weder sicher noch einfach war. Ich blieb also an Ort und Stelle und blickte nach oben. Ich sah ca. 30m ober mir eine Markierung. Sie gehörte zum Aufstiegsweg auf die Tristenspitze. Wenn ich den erreiche, so dachte ich mir, kann ich ja wieder runter auf den Reissecker Höhenweg steigen. Aber eines war mir klar! Wenn ich den Weg nach oben wähle mußte ich dieses Ding auch durchziehen. Das tat ich dann auch. Ich kletterte hoch Richtung Tristenspitze, bis ich auf die Markierung stieß. Dort war allerdings noch kein Weg. Ich mußte noch ca. 20 bis 25m ein schmales Felsband queren, um abzusteigen und auf den normalen Weg zu gelangen.
Dieser Umweg kostete viel an Zeit, aber es war Adrenalin pur! Es ging weiter, hangquerend über Blockgestein zum Zwenbergertörl auf 2776m; damit war der höchste Punkt des gesamten Rupertiweges erreicht. Dort machte ich eine Rast. Es kamen noch 2 junge Wanderer, die ich über die Probleme bei der Tristenspitze informierte. Vom Zwenbergertörl ging es in bewährter Weise immer die Hänge und Flanken der hohen Berge querend, natürlich auf Blockgestein, Richtung Riekenkopf und Riekentörl. Um ca. 17:00Uhr nach 11 Stunden war das Riekentörl erreicht.
Der Wegweiser sagte mir, noch eine Stunde zur Reißeck Hütte. So ging es vorbei am Stapniksee, immer talwärts bis zum kleinen und großen Mühldorfersee. Am Fuße der Staumauer des großen Mühldorfersee liegt dann die Reißeck Hütte, wo ich um 18:00 Uhr, also nach 12 Stunden Gehzeit eintraf. Was ist also mein Fazit für diesen Tag? Es war wunderbar! Wetter traumhaft, der Weg ein Traum, Abenteuer pur und am Ende eine hervorragende Unterkunft.
Ich habe am Ende eines wunderbaren Tages einen Rat an alle nachfolgenden Wanderer. Wer sich entschließt den Reißecker Höhenweg zu gehen sollte:
a) eine wirklich gute Ausdauer und starke Füße haben
b) absolut schwindelfrei und trittsicher sein
c) keinesfalls bei Schlechtwetter gehen
d) über Klettererfahrung verfügen
e) rechtzeitig eine Tour abbrechen können