9. Tag – Goodbye Shenandoahs

Streckenabschnitt: Gravels Springs Hut – Front Royal / 13,4Mi
06:45 Uhr, ich bin mit schlafen fertig und habe gut geschlafen! Kurz darauf wachte auch Dexter auf und behauptete ich hätte geschnarcht, sorry kann schon sein! Der Typ hat Wandersocken, die stehen wirklich schon vor lauter Dreck! Dexter meint ich solle in Front Royal im Hostel übernachten, kostet nur $ 30 inklusive Pizza und Eiscreme! Ich erklärte ihm, dass ich direkt in die Stadt muss, da ich ja mit meiner Familie Kontakt aufnehmen will. Dann koche ich Kaffee, wie immer etwas mehr,  finde auch dankbare Abnehmer und esse einen dieser Powerriegel. Den Kampf mit Klotz gewinne ich immer schneller und leichter. By the way, ich habe mein schon verloren geglaubtes Messer wieder gefunden. Dann gehe ich mal vor! Es ist die letzte Tagesetappe im Shenandoah National Park. Beim Frühstück haben wir noch diskutiert welcher Tag heute ist. Mehrheitlich waren wir der Meinung dass Freitag ist, bis uns Brenan anhand seines Handy´s darauf aufmerksam machte, das bereits Samstag war. Das Wetter war wieder gut! Ein leichter etwas kühler Wind hielt die Luftfeuchtigkeit in Grenzen, der Weg war auch ganz moderat, keine Kurven-Bären Erlebnisse und so ging´s Stunde um Stunde auf die Stadt Front Royal zu. Ein paar Meilen vor Front Royal traf ich Dexter wieder.

Er war hektisch am Telefonieren, da er in seinem Guidebook nachgelesen und festgestellt hatte, dass sein bevorzugtes Hostel, gestern am 4. Juli den letzten Tag geöffnet hatte. Den Ausgang seines Telefonates wartete ich nicht ab ich hatte noch 5 Meilen auf der U.S. 522, einer Hauptstraße vor mir. So gefährlich kann es nicht einmal unter 10 Schwarzbären sein, als sich als Fußgänger auf einer US-Hauptstraße fortzubewegen. Fußgehende Verkehrsteilnehmer haben in der US-Verkehrsplanung einfach keinen Platz! Auch gab es diesmal keine Trailangels, niemand hielt an und fragte ob ich mitfahren wollte. So quälte ich mich Meile um Meile in die Stadt Front Royal und quartierte mich wiederum in einem Quality Inn für 2 Nächte ein! So was nennen wir Wanderer zero-day. Mit dem Quartier bin ich zufrieden! $ 69 pro Nacht mit Frühstück ist auch OK! Ich packte alle Sachen aus, hängte das Zimmer voll und ging duschen. Warmes, heißes Wasser einfach himmlisch! Ich wechselte die Kleidung von Trail auf Stadt und machte mich auf die Suche nach einem öffentlichen Telefon.

Als erstes fragte ich an der Rezeption ob die Zimmerapparate für internationale Gespräche geeignet seien! Leider nein und als ich nach einem pay-phone oder public-phone fragte verdrehte der Mensch an der Rezeption die Augen. So ging ich anschließend zum Post-Office. Dieses war zwar geöffnet, Angestellte oder andere Menschen waren jedoch nicht anzutreffen! Als nächstes erzählte ich einem  Polizisten meine Misere und fragte ihn nach einem öffentlichen Telefon. Er meinte ein paar Blocks weiter gäbe es bei einer Tankstelle ein 7/11 und dort sei ein Münztelefon. Also machte ich mich wieder auf den Weg. Das 7/11 fand ich nicht, obwohl ich kreuz und quer durch die Stadt ging. Als ich dann noch bei einer Gruppe von Männern fragte und mir einer ganz erstaunt antwortete: a pay-phone? – you need a time machine! gab ich meine Suche auf! Aber das wird es wohl sein. In einer Stadt wo die Handy`s alle funktionieren, wird es wahrscheinlich kein öffentliches Münztelefon mehr geben. Ich werde es daher morgen mit e-mailen probieren. Wenn das auch nicht funktioniert werde ich, wenn ich am Montag wieder zurück am Trail bin, einen meiner Wander-Kollegen ersuchen mir gegen Bezahlung sein Handy zu borgen, vielleicht funktioniert es ja so! Es tut mir wirklich leid! Ich habe alle im Guidbook angeführten pay-phones abgeklappert, viele zusätzliche Meilen in Kauf genommen, bis auf eines funktionierten alle nicht und bei dem Einen konnte ich trotz Gespräch mit dem Operator keine Verbindung herstellen.

Nachdem ich vergeblich stundenlang gesucht hatte ging ich noch einkaufen, 1 Flasche Rotwein, Cola, Brot, Würstchen und Zigaretten, der Wahnsinn ist der, obwohl die Amis vollkommen nikotinhysterisch sind, kostet die Packung LM nur $ 3! Die Einkäufe brachte ich auf mein Zimmer und ging dann noch mal los, ich wollte etwas essen gehen. Mir stand der Sinn nach China-Food. Ich fand auch ein nettes China-Restaurant, bestellte mir Ente mit 5 Geschmacksrichtungen, dazu als Vorspeise 4 Stück Spar-ribbs, zum Trinken gab´s Wasser und 2 kleine Heineken. Ich muss das tun, nämlich essen, da ich beim Duschen festgestellt habe, dass ich wahrscheinlich mit dem Gewicht unter die 65 Kg gerutscht bin. Das Essen war lecker kostete umgerechnet € 25 und da ich von der Ente nicht alles runterbrachte, stellte die Serviererin automatisch eine Schachtel an den Tisch. Ich packte den Rest der Portion in die Schachtel und nahm diese mit auf mein Zimmer. Hier sitze ich nun bei geöffneter Tür, schreibe mein Trail-Tagebuch und habe bereits den 2. Becher kalifornischen Rotwein getrunken. Übrigens beim Kauf vom Wein musste ich mein Geburtsdatum angeben, die spinnen doch die Amis! Morgen ist mein erster zeroday d.h. keinen schweren Rucksack auf den Schultern, keine Wanderschuhe an nur ausspannen!
Mit dem Erreichen von Front Royal bin ich mit den Shenandoahs durch.

107 Meilen, einige mehr auf der Suche nach einem Telefon, in 8 Tagen. In Kilometer entspricht das knapp einem Viertel der geplanten gesamten Strecke. Es war sehr beeindruckend! So tief drinnen in der Natur war ich noch nie. 2 Dinge waren wesentlich! 1. Hast du genug Wasser bzw. weist du wo die nächste zuverlässige Quelle ist? 2. Was gibt es zu essen, und hast du genug davon. Übrigens es stimmt, Wanderer reden am Shelter meist nur über eines – ESSEN!

Die Dimensionen dieses Landes sind enorm! Sich in dieser Weite zu bewegen schafft einen klaren Kopf. Ich habe nicht einen Tag gebraucht um den Alltag zu vergessen. Ich hatte auch, so blöd das klingt, keine Zeit Heimweh zu haben! Und natürlich fehlt mir meine Frau! Aber ich habe den ganzen Tag zu tun mir meinen Ablauf zu organisieren, zu erarbeiten. Das Gehen nimmt zwar die meiste Zeit des Tages in Anspruch, aber mit der Ankunft am Shelter ist es ja nicht getan. Im günstigsten Fall schläfst du im Shelter, d.h. weniger Vorbereitung. Ist der Shelter voll, heißt es Zelt aufbauen und einrichten, bedeutet viel Arbeit! Dann kommt kochen, aufräumen, minimale Körperpflege und anschließend schlafen gehen. Von den bisher 8 Tagen bin ich an 7 Tagen durchschnittlich mehr als 20 KM täglich gegangen.

Das Gewicht des Rucksacks beträgt 18 Kg manchmal mehr, je nachdem wie viel Wasser ich mitnehme! 3L sind es mindestens. Dieses Gewicht verändert sich natürlich im Laufe des Tages, trotzdem ist der Rucksack alles andere als leicht. Das Gelände war speziell am Anfang die ersten 3 – 4 Tage anspruchsvoll. Bei vielen langen Anstiegen welche in der Regel schnurgerade nach oben führen braucht man viel Kraft in den Beinen und eine gute psychische Ausdauer. Hätte ich nicht so viel in die Vorbereitung investiert, es hätte unter Umständen ein kurzer Ausflug werden können! Ich bin zwar bisher physisch nicht an meine Grenzen gekommen, aber diese ca. 190 KM waren alles andere als ein Spaziergang!