Etappe: The Birches Lean To – Katahdin Gipfel und retour – 10 Meilen / 16 Km
Heute gab es für jeden Weitwanderer nur ein Ziel. Den Gipfel des Mount Katahdin. Der Sehnsuchtsberg für Alle die den Appalachian Trail von Süden nach Norden gewandert sind, die sogenannten NOBOS! So wie ich es die letzten 5 Jahre tat.
Ich war etwas nervös. Aber es war positives Adrenalin, welches mir zusätzliche Motivation gab. Wie gehabt gingen wir bereits vor 06:00 Uhr los. 1300 Höhenmeter waren zu machen und es ging gleich mächtig zur Sache. Vom Wetter her gab es keinen besseren Tag für den Gipfel als Heute. Steil und gerade rauf führte der letzte Teil des Appalachian Trail. Mal über lange Stufenpassagen, mal steil durch Felsrinnen. Ich ging voran und Bill folgte mir. Langsam aber stetig stiegen wir auf. Nach ca. 1,5Meilen erreichten wir jenen Teil in dem die Kletterpassagen begannen. Hier hatte Glen Amos, mein Wanderkollege vor 2 Jahren, aufgegeben. Als ich durch war, konnte ich auch verstehen warum. Wenn man so etwas noch nie gemacht hat, ist die Gefahr abzustürzen groß.
Aber Bill und ich meisterten auch diesen Abschnitt und erreichten dann das Plateau des Mt. Katahdin. Der fast 70zig jährige Bill kletterte hoch wie ein Junger. The Tableland, das Hochplateau war aber erst die halbe Wegstrecke zum Gipfel. Lange zog sich der Weg noch hin. Über der Baumgrenze wehte ein doch heftiger kühler Wind. Es war also wirklich gut, dass ich eine Jacke dabei hatte. Das Ziel vor Augen querten wir das Hochplateau, vorbei an der Thoreau Spring, einen Grat noch rauf und dann war es geschafft.
Wir standen vor dem Schild, welches den nördlichen Beginn des Appalachian Trail, die Meile 2198 kennzeichnete. Ich muss eingestehen, es war schon ein bewegender Moment. 5 Jahre hat es gedauert, dass ich hierher kommen durfte. Ich fühlte tiefe Zufriedenheit und war auch stolz, dass ich diese Herausforderung angenommen und zu Ende gebracht habe. Dann gab es natürlich die obligatorischen Fotos in allen möglichen Siegerposen. Das Gefühl es geschafft zu haben, war für alle am Gipfel Anwesenden spürbar. Wir benötigten für den Aufstieg knapp 4 Stunden, waren also um ca. 10:00 Uhr am Gipfel. Der Berg ist immerhin über 1600m hoch. Vor allem gab der Mt. Katahdin ein unbeschreibliches Panorama frei. Der Blick ging tief nach Kanada hinein. Erst von hoch oben sieht man wieviel Wasser Maine hat. Die vielen kleine Ponds, die großen Seen und Flüsse, sie sind gut versteckt in den riesigen Wäldern eingebettet.
Sich hin zu setzen und über diese Landschaft zu blicken macht einem klar, wie unbedeutend Menschen im Vergleich zu dieser großartigen Natur sind. Gut eine Stunde verbrachte ich am Gipfel und gab mich meinen Emotionen hin. Dann hieß es wieder runter vom Berg. Wir nahmen für den Abstieg den Hunt-Trail. Der war blau markiert, ein ganz neues Gefühl, da man ja sonst den weißen Markierungen folgte. Bis zum Erreichen der Baumgrenze ging es steil runter, in weiterer Folge ließ es sich aber ganz gut gehen. Das letzte Stück zur Rangerstation nahm uns noch ein freundlicher Autofahrer mit.
So war es dann gegen 14:00 Uhr Gewißheit, der Appalachian Trail war gegangen, wir waren wieder alle sicher vom Mt. Katahdin zurück. Es wurden die Rucksäcke wieder umgepackt und dann hieß es die scheinbare schwierigste Frage zu beantworten wie kommen wir vom Katahdin-Stream-Campground wieder weg? Die Rangerstation war nicht besetzt, also konnten wir kein Shuttle rufen. So probierten wir es mit Autostoppen. Ein weiterer Kollege schloss sich uns an und so standen wir zu dritt an der Ausfahrtsstrasse vom Baxter State Park Richtung Millinockett. Es war schon etwas komisch! Wer sollte uns mitten im Wald schon mitnehmen? Aber es dauerte nicht lange, da hielt ein großer Pickup, ein älterer Herr saß am Steuer, er meinte er könne uns bis zur Parkausfahrt mitnehmen.
Dann sprach Bill mit ihm und es liegt wohl an der Art wie Bill auf Menschen zugeht, den der Fahrer meinte plötzlich, OK ich bringe euch nach Millinockett. Das war super! 30 Minuten später waren wir in der kleinen Stadt. Da wir weiter nach Bangor wollten, dort gab es ja den Flughafen und die Greyhoundstation, ging Bill sofort in den nächsten Shop und fragte einen jungen Mann namens Chris, ob er uns Informationen bezüglich der Weiterfahrt geben könne. Der junge Mann überlegte kurz und meinte er beende seine Arbeit um 16:00Uhr und dann könne er uns nach Bangor fahren.
Verlangt hat er dafür pro Peron $ 20.- und das Tanken haben wir übernommen. Während der Fahrt hat Bill dann noch ein Zimmer im Roadway-Flughafenhotel reserviert. Chris hat uns um ca. 17:00 Uhr dort abgesetzt. Das hat heute richtig gut funktioniert. Am Vormittag noch am Mt. Katahdin mitten im Nirgendwo, 7 Stunden später bereits über 100 Meilen entfernt in der Stadt Bangor.
Wir haben das Zimmer bezogen und die Weiterfahrt organisiert. Bill bekam einen Flug von Bangor nach Baltimore/Maryland und ich besorgte mir ein Ticket für den Greyhound Bus nach Boston. Dann ging es ans kultivieren, die Rucksäcke neu organisieren und schließlich zum Abendessen in ein Burger-Round Restaurant. Ich habe mir einen Little Pigy Burger vergönnt. Groß, saftig, mit vielen Pommes, dazu ein gutes Bier. Völlig angegessen ging es dann zurück ins Hotel. Für den Schlummertrunk nahmen wir uns noch ein paar kleine Biere mit, welche wir im Hotelgarten tranken.
Dort waren auch einige Motorradfahrer, die sich gerade Pizza bestellt hatten. Als sie hörten, dass wir den Appalachian Trail beendet hatten, bekamen wir auch etwas von der Pizza ab. Gegen 22:00 Uhr ging es ans schlafen. Für einen Wanderer völlig spät, aber wir mußten ja nicht mehr gehen, daher war es OK! Die Betten waren gut, das Frühstück ebenso und es nahte der Zeitpunkt, an dem sich die Wege von Bill und mir wieder trennen würden. Um 10:30 Uhr wurden wir von einem Shuttle abgeholt. Zuerst war Bill an der Reihe, er wurde am Flughafen abgesetzt. Wir haben uns herzlich verabschiedet. Ich habe den alten Bill mit Trailnamen Hops wirklich gerne als Wanderpartner gehabt. Von den gesamt 21 Tagen, sind wir sicher 14 Tage gemeinsam gegangen. Ich habe großen Respekt vor seiner Leistung. Mit seinen knapp 70zig Jahren ist er in 5,5 Monaten den gesamten Appalachian Trail gegangen. Er war immer freundlich und geduldig mit mir und hat Dinge für mich erledigt, welche aufgrund meiner mangelnden Sprachkenntnisse oft schwierig gewesen wären. Also vielen Dank Bill, aber ich habe ja deine Mailadresse. Übrigens was mich auch freut, Freebyrd alias Scott Gardner, ein Wanderkollege von vor 2 Jahren hat sich auch wieder gemeldet. Nachdem Bill im Flughafen verschwunden war, wurde ich zum Busterminal gefahren. Um 11:20 Uhr fuhr der große Überlandbus pünktlich ab und wird gut 5 Stunden später Boston South Station erreichen.